Der historische Werdegang des Männerchores
Aus überlieferten Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass der Gleinaer Männerchor einer der dienstältesten Gesangsvereine der damaligen Provinz war. Das genaue Gründungsjahr des Adjuvanten-Chores zu Gleina ist nicht bekannt, aber die erste Benennung stammt aus dem Jahre 1686 und kann aus den Akten des Ehrt'schen Legats entnommen werden. Die uns bekannten Gesetze und Gebräuche lassen jedoch darauf schließen, dass der Chor vielleicht schon in der Zeit der Reformation bestanden hat.
In der Gleinaer Chronik, die von Herrn Roßberg 1937 verfasst wurde, und in einzelnen Exemplaren noch vorhanden ist, wird zur Ehrt'schen Stiftung am 26. November 1686 folgendes ausgeführt: "1686 wohnte Gottfried Ehrt in der Ölgasse. Im Wohnhaus der heutigen Gutsgärtnerei (das ist das Haus des jetzigen Besitzers Wolfgang Kuhnert) betrieb er eine Ölmühle. Er gewann Rüböl, das zu Beleuchtungszwecken verwendet wurde. In einer stürmischen Februarnacht, als der Wind "von unten heraus" kam, also von Nordosten, wurde er plötzlich durch dreifaches Klopfen an der Tür geweckt. Er schaute hinaus, sah niemand, bemerkte aber mit Entsetzen, dass es in seinem Keller brannte. Von der Hitze waren schon einige Reifen von den Rübölfässern gesprungen. Es gelang ihm, das Feuer zu ersticken. Wenn er einige Sekunden später gekommen wäre, würde nicht nur sein Hab und Gut, sondern auch das ganze Dorf bei dem starken Nordostwind von den Flammen verzehrt worden sein. Er stiftete aus Dankbarkeit 50 Schock Groschen, deren jährliche Zinsen zum Teil den Adjuvanten zufallen sollten."
Aus Dankbarkeit für diese Zuwendung und zur Erinnerung an dieses Ereignis sang der Chor noch am Sonntag Estomihi in der Kirche ein Lied und im Anschluss daran dankte der Pfarrer in seiner Predigt für "gnädige Bewahrung vor Feuersgefahr."
Am darauffolgenden Montag wurde dann alljährlich das eigentliche Adjuvantenfest begangen. Bei einem Fässchen Bier, welches die Sänger am Nachmittag leerten, wurden alte Erinnerungen oder besondere Vorfälle des dörflichen Alltags aufgefrischt bzw. erzählt und beliebte Lieder gesungen. Am Abend trafen sich alle Sänger zum festlichen Mahl, nicht nur die aktiven, sondern auch die Ehrenmitglieder, die das sechzigste Lebensjahr erreicht hatten, aber dennoch ihre Verbundenheit zum Gesangsverein aufrecht erhielten.Um den Bestand des Chores zu sichern und die Aufgaben und Rechte genau festzulegen, gab sich dieser Gesetze. Die ältesten wurden bereits im Jahre 1797 fixiert, eine Überarbeitung und Vervollkommnung des Gesetzeswerkes erfolgte am 25. März 1837. Genau geregelt war die Leitung des Chores. Dazu heißt es in einem Abschnitt "Der Direktor ist der jedesmalige Kantor und Schullehrer allhier."
Die feste Bindung von Schule und Kirche zur damaligen Zeit und auch die Tatsache, dass der Dorflehrer während seiner Ausbildung umfangreiche musikalische Erkenntnisse erwarb, waren für die Festlegung der Leitung des Chores ausschlaggebend. Aus dem ältesten Kirchenbuch, welches im Jahre 1642 begonnen wurde, ist zu entnehmen, dass der erste Dirigent des Adjuvantenchores der Schulmeister Georg Pavo war. Nach seinem Tode setzte Philipp Gärtner, ebenfalls Schulmeister des hiesigen Lehramtes, seine Arbeit fort. Mit Johann Heße (1672), Georg Spiegier (1678), Christian Täntzer (1682), Heinrich Töpfer (1687), Andreas Tag (1694), Jacob Schneider (1698) und Christophorus Berger (1709) seien nur einige seiner verdienstvollen Nachfolger genannt. Nicht jeder männliche Bürger unseres Dorfes konnte Mitglied des Chores werden, das Gesetzeswerk legte die genauen Bedingungen dafür fest. "Will jemand in den Chor eintreten, so prüft der Direktor seine musikalischen Kenntnisse und Fertigkeiten. Besteht er in der Prüfung, so legt er vor sämtlichen Adjuvanten eine Probe seiner Fertigkeiten an den Tag. Genügt diese Probe und ist sonst nichts gegen den Lebenswandel und seine Ehre einzuwenden, so zahlt er zwanzig Silbergroschen Eintrittsgeld und wird durch Handschlag aufgenommen." Trotz dieser Bestimmungen hatte der Chor immer genügend Mitglieder und einige von ihnen erlernten sogar das Spielen von Instrumenten, so dass auch die Instrumentalmusik durch den Adjuvantenchor gepflegt wurde. Die Instrumente waren choreigen und der Kauf wurde durch Spenden oder Einnahmen von Auftritten finanziert.
Eine sichtbare Entwicklung in Qualität und in Bezug auf die Liedauswahl nahm der Chor unter dem verdienstvollen Kantor Johann Gottlob Lohse, der diesen 35 Jahre leitete. In der Festschrift zum 225jährigen Bestehen des Chores aus dem Jahre 1911 wird den Verdiensten Lohses eine ganze Seite gewidmet. In seiner Arbeitsperiode sind eine Menge klassischer Gesangsstücke für Gemischte und Männerchöre einstudiert und aufgeführt worden. Das Geld für den Ankauf dieser Werke (hier ist bestimmt das Notenmaterial gemeint) finanzierte der Kantor selbst. Die "getragenen patriotischen Dichtungen" von Ernst Moritz Arndt und Theodor Körner, die in Musik umgesetzt wurden, wurden durch die Aufführungen des Chores ins Volk "hineingesungen" und bestärkten "das Sehnen nach dem einigen Großen Vaterland". Nach seinem Tode wurde 1901 der gesamte Nachlass des Kantors dem Adjuvantenchor als Eigentum über geben. Die Herren Bernhard Trautmann (1869-1875) und Julius Föhse (1875-1904) führten die Arbeit des Chores im Sinne des Kantors Lohse weiter, ohne jedoch die Popularität ihres Vorgängers er reichen zu können.

Einen Höhepunkt in der langen Chorgeschichte bildete das Jahr 1911, weil unter großer Beteiligung der hiesigen Bevölkerung das 225jährige Bestehen begangen wurde. Der damalige Chormeister, Lehrer Jeck, stellte die Geschichte des Chores in einer Festschrift zusammen, die leider nur noch in sehr wenigen Exemplaren vorhanden ist. Sie vermittelt uns einen Einblick in die gesangliche Tätigkeit des Chores und an dem Notenmaterial und den Programmzusammenstellungen ist zu ersehen, dass neben dem kirchlichen Gesang auch immer mehr das deutsche Volkslied gepflegt wurde.
Aus nah und fern eilten Sänger im Juli 1926 nach Gleina, um die Fahnenweihe des "altehrwürdigen Adjuvantenchores" mitzuerleben. In diesem Jahr wurde gleichzeitig das 240jährige Bestehen des Chores gefeiert. Die damals eingeweihte Fahne wird heute zu besonderen Anlässen und Umzügen vom Chor mitgeführt.
Die Satzungen des Chores verlangten, dass sämtliches Eigentum und die Einnahmen einer genauen Rechnungsführung unterzogen wurden. Die Rechnungsführer werden mit dem Namen "Fiscal" bezeichnet. Der erste Fiscal war Ferdinand Boy. Er hatte das Fiscalamt von 1834-1836 inne. Neben der exakten Rechnungsführung zeichnete der Fiscal auch für die ordentliche und vollständige Aufbewahrung des Notenmaterials verantwortlich.
In all den Jahren veranstaltete der Männerchor Konzerte, sang zu besonderen Anlässen in der Kirche oder erfreute die Einwohner von Gleina zu persönlichen Festlichkeiten. Neben Kirchen- und Volksliedern wurden auch Kantaten und klassische Musik zu Gehör gebracht. Selbst in den schweren Jahren des zweiten Weltkrieges wurde der Gesang unter Leitung des Lehrers Barthel (1937-1944) und der Sangesschwester Hedwig Zenner (1944-1945) gepflegt. Ab Herbst 1945 wurde die Leitung des Männerchores dem Kapellmeister Ernst Willweber übertragen, der seit dem 18. Mai 1922 Mitglied desselben war. Die eingeübten Lieder und Werke, die ansprechende Musikalität und Ausstrahlungskraft des Gesanges boten ein schönes Stück Orts- und Kulturgeschichte und förderten den Kunstgeschmack und das Kunstbedürfnis vieler unserer Einwohner. Nicht selten wurde der gepflegte Gesang des Gleinaer Männerchores zu Sängertreffen oder Preissingen mit Applaus und vorderen Plätzen belohnt.
Das Fiscalamt betraute in dieser Zeit unser damaliges Mitglied Martin Röder, später Alfred Böttcher und Klaus Rödel. Sehr unruhig für die Arbeit des Chores gestalteten sich die fünfziger Jahre. Viele Kompromisse wurden geschlossen, um einigen Quertreibern gerecht zu werden. Dazu kam, dass das Fernsehen nicht wenige aktive Sänger abhielt, die Proben regelmäßig zu besuchen. So entstand im Frühjahr 1958 aus dem Männerchor ein gemischter; sechzehn Männer und zwölf Frauen setzten die guten Traditionen des Gesanges fort. Trotz vieler eingegangener Kompromisse blieben Spannungen erhalten, so dass der letzte Auftritt am 8. März 1958 stattfand.
In den Jahren der "Ruhe" veränderte sich unser Dorf gewaltig. Aus den vielen Einzelbauern wurden mehrere, später zwei landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften. Das Bedürfnis nach Kunst und Kultur stieg bei den Menschen. Wenn auch in dieser Zeit nicht chorisch gesungen wurde, so erhielten doch die gemeinsame Teilnahme an Konzerten und Liederabenden die Verbindungen der Sangesbrüder aufrecht. Der Gedanke zur Neugründung keimte fortlaufend, aber viele objektive Schwierigkeiten verhinderten diese gute Tat. Es mussten erst 19 Jahre vergehen, ehe sich am 2. Februar 1977 unter der Leitung des Sangesbruders Klaus Rödel die alten und neuen Sänger zu einer Chorprobe in der Schule trafen. Über dreißig Männer übten fleißig für den ersten Auftritt zum Internationalen Frauentag am 8. März 1977.
Der Beifall unserer Frauen machte den Sängern Mut und so wurde im gleichen Jahr zum 25jährigen Bestehen der Gleinaer LPG mit der Kulturgruppe der Schule ein Festprogramm aufgeführt, welches uns die Anerkennung und Wertschätzung aller Anwesenden einbrachte.
Zu vielen Anlässen übernimmt heute der Männerchor die kulturelle Umrahmung. Aber auch die Teilnahme zu Sängertreffen und Chorausscheiden bestätigten immer wieder, dass unser Chor ein Klangkörper geworden ist, der hohen Ansprüchen genügt. Der mühevollen Arbeit unserer Dirigenten Klaus Rödel, Ernst Willweber und Wolfgang Scholz ist es zu verdanken, dass der Chor dreimal mit dem Titel "Hervorragendes Volkskunstkollektiv" ausgezeichnet wurde und das er 2001 die Zelter-Plakette aus den Händen des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau entgegen nehmen konnte.